I'm late to the party. So spät habe ich meinen jährlichen Blogeintrag noch nie verfasst. Kurz vor knapp quasi. Zugegeben, einen kurzen Augenblick habe ich mit mir gehadert und überlegt, ob ich ihn dieses Jahr nicht einfach sausen lasse. Dann meldete sich jedoch das schlechte Gewissen und meinte, dass ich mich gefälligst ransetzen und die Tradition fortführen soll. Na gut, dachte ich mir. Hast gewonnen, schlechtes Gewissen. Nun sitze ich hier also, am letzten Tag des Jahres. Es ist 17:18 Uhr. Die Spotify Playlist mit meinen Lieblingssongs hämmert in meinen Ohren. Rain City Drive's "Cursed" um genau zu sein. Der Songtitel ist jetzt vielleicht nicht so passend, der des Albums "To better days" dagegen schon eher. Erstaunlich, wie einen bestimmte Lieder nahezu unverzüglich in bestimmte Momente zurückversetzen. Dafür bin ich immer wieder sehr dankbar. Nicht nur, weil sie mir helfen, meinen diesjährigen Blogeintrag zu verfassen ;-). Na dann wollen wir mal ... 

Möchte ich mich wirklich an das erste große Ereignis 2021 erinnern? Mein 30. Geburtstag? Können wir doch eigentlich skippen, oder? Okay, okay. Wir erinnern uns - oder auch nicht - an das doch relativ umfangreiche Kapitel zu meinem bevorstehenden 30. Geburtstag in der letzten Jahreszusammenfassung. Das Näherrücken der bösen Zahl "drei" hat mich ziemlich beschäftigt und ich wusste nicht so genau, wie ich damit umgehen soll oder was das mit mir machen würde. Verändere ich mich plötzlich? Falle ich in ein depressives Loch? Wird der gesellschaftliche Druck noch unerträglicher? Fragen über Fragen und eine unangenehme Ungewissheit bahnten sich immer wieder ihren Weg an die Oberfläche. Dann kam der (nicht) herbeigesehnte Tag und auch wenn es sich etwas merkwürdig anfühlte, so war es lang nicht so schlimm, wie von mir angenommen. Bis auf diese Zahl hat sich nichts verändert. Phew - Glück gehabt :D. Gut, das ein oder andere graue Haar ist dazugekommen, aber das ist mir (noch) relativ egal. Wer weiß, vielleicht steht mir eine Silbermähne ja sogar? Haha.

Der Rest des Jahres plätscherte mehr oder weniger so dahin. Noch immer genervt von der aktuellen Situation und damit verbundene Einschränkungen, versuchte man trotzdem das Beste draus zu machen. 
Ein großer Schritt zurück in die "Normalität" war in diesem Jahr natürlich auch die Impfung. Zugegeben, ich hatte wirklich Respekt davor und musste in diesen Momenten viel mit meiner Angst kämpfen. Ich erinnere mich noch genau an den Tag der ersten Impfung, die ich im nicht mehr betriebenen Flughafen Tegel erhalten habe. Zunächst wurde man mit kleinen Bussen, die extra für die Menschen mit Impftermin bereitgestellt wurden, zu dem nun verlassenen Flughafenareal gebracht. Die riesen Halle, die ich sonst mit reisenden Menschen, unzähligen Koffern und allgemein viel Gewusel in Erinnerung hatte, gleichte nun einer aus einem Horrorfilm entsprungenen Lagerhalle. Ungelogen, ich kam mir ein bisschen vor wie bei Walking Dead oder so. Wahrscheinlich habe ich zu viel Netflix gesehen :x. Wie dem auch sei - ich habe es hinter mich gebracht und bin froh, dass uns diese Möglichkeit geboten wird. Über die Vielzahl an Impfgegnern möchte ich mich jetzt gar nicht erst aufregen...



Kaum zu glauben aber wahr: Der Moment ist da. Ich darf endlich schreiben, dass ich Lehrerin bin. 
So so lange habe ich darauf gewartet und umso nervöser wurde ich, je näher der 19. Mai 2021 rückte. Warum ich mir an diesem Tag einen Wecker gestellt habe, erscheint mir im Nachhinein als völlige Verschwendung. Ich glaube ich bin um 4:30 Uhr aufgestanden und konnte dennoch gerade so pünktlich um 6:30 Uhr das Haus verlassen. Verrückt. Sowohl die Prüfung als auch der Tag selbst vergingen rückblickend rasend schnell. Am liebsten hätte ich zwischenzeitlich gern "Pause" gedrückt, um das Geschehene überhaupt erstmal zu verarbeiten. Ich wollte trotz der Aufregung an so vielen Momenten wie möglich festhalten, nicht zuletzt, weil ich all die Jahre genau darauf hingearbeitet habe. Kurz vor Beginn meinten einige Kinder "Wir sind so aufgeregt Miss H." Was sollte ich erst sagen? Innerlich selbst ein nervliches Wrack antwortete ich ganz cool und beiläufig "Ach quatsch, ihr werdet das super machen. Stellt euch einfach vor diese Menschen sind gar nicht da. Seid so toll wie sonst auch immer! Da kann gar nichts schiefgehen!" Dann kamen auch schon die PrüferInnen in den Raum und setzten sich auf die Extrastühle. Vier in einer Reihe. Noch einmal tief durchatmen, dann erhielt ich das Startzeichen. Ich erinnere mich, dass ich alles um mich herum ausgeblendet und mich nur auf meine Stunde und die SchülerInnen konzentriert habe. Von den Gesichtern der PrüferInnen konnte ich eh nicht viel ablesen, da natürlich alle ordnungsgemäß Masken trugen.
Das Schlimmste sind die Minuten nach der Prüfung und Auswertung. Die Zeit, in der sich die PrüferInnen austauschen und über die Endnote entscheiden. Bestanden? Nicht bestanden? Diese Minuten kommen einem endlos vor. Es gab ein Gerücht, dass sich unter den Referendaren hartnäckig hielt. "Wenn sie dich zur Urteilsverkündung zurück in den Raum rufen, achte darauf, ob sie stehen oder sitzen. Wenn sie sitzen, hast du nicht bestanden. Wenn sie stehen, dann schon." Na toll, dachte ich mir. Wenn sie sitzen gehe ich gar nicht erst in den Raum, beschloss ich in mich hineingrübelnd. Beide Szenarios spielte ich immer wieder vor meinem geistigen Auge durch. Dann ging auch schon die Tür auf und ich wurde hereingebeten. 
Ich linste um die Ecke und mir fiel .... nicht nur ein Stein, sondern vermutlich alle Steine dieser Erde vom Herzen: alle standen brav hinter ihren Stühlen :D. Es dauerte nicht lange, da bahnten sich eigentlich auch schon die ersten Tränen ihren Weg nach oben. "Frau H. wenn Sie jetzt schon weinen, dann muss ich auch weinen und dann kann ich Ihnen gar nicht mehr Ihr Gutachten vorlesen." <3
Ich wurde beglückwünscht und meine PrüferInnen trugen mir das schriftliche Urteil vor. Leider ging das viel zu schnell und aufgrund der Tränen und Euphorie habe ich das Meiste davon schon wieder vergessen. 

Dieser Weg war unfassbar steinig und schwer. Er hat mich oft an meine Grenzen gebracht und es gab viele Momente, in denen ich gern einfach alles hingeschmissen hätte. Ich bin so dankbar, dass es immer wieder Menschen gab, die mich angespornt und etwas in mir gesehen haben, das mir selbst oft verborgen blieb. Meine Tutorinnen, die mich während meines Referendariats begleitet haben, hätten besser nicht sein können. Ich bin ihnen so unfassbar dankbar und werde sie niemals vergessen.

Mit dem Ende des Referendariats endete allerdings auch mein "Weg zum Ziel". So glücklich ich darüber auch war, so leer fühlte ich mich gleichermaßen. Nun war da nichts mehr, wofür ich kämpfen muss. Ich habe die Ziellinie erreicht. Plötzlich musste ich nicht mehr weiterrennen und das war ein merkwürdiges Gefühl. Was mache ich nun? Die nächste Herausforderung soll aber nicht lange auf sich warten lassen...doch dazu später mehr.


Manchmal muss man von einem Menschen fortgehen, um ihn wiederzufinden. Wir begegnen so vielen Menschen in unserem Leben und doch unterscheiden sie sich in einem bestimmten Punkt ungemein: Manche sind nur dafür bestimmt, einen gewissen Lebensabschnitt mit uns zu teilen, andere bleiben für immer. Weite Distanzen und Veränderungen des persönlichen Lebens machen es sicher nicht immer leicht, in Kontakt zu bleiben. Eigentlich ist es doch heutzutage so einfach, ab und zu ein Lebenszeichen von sich zu geben. Eine kurze Nachricht über WhatsApp, eine Mail oder ein Anruf. Das sollte doch nicht so schwer sein? Manchmal ist es das aber irgendwie doch und so verstreichen manchmal Wochen, Monate oder sogar Jahre, in denen man nicht viel voneinander hört. Dabei war man sich doch mal so nah und wichtig? 
In diesem Jahr habe ich mich endlich wieder mit einer alten Freundin aus Studienzeiten getroffen. Eigentlich die beste Freundin, die ich je hatte. Natürlich haben auch wir uns verändert, aber die gemeinsame Zeit war trotzdem schön und ich habe mich direkt in die alten Zeiten zurückversetzt gefühlt. Zwar bedeutet ein erneutes Zueinanderfinden nicht zwangsläufig, dass man auch in Kontakt bleibt - da gehört sicher beidseitige Arbeit dazu. Wenn man jedoch gewillt ist, daran festzuhalten, dann dürfte dem auch nichts im Wege stehen. 

Springt über euren Schatten: Schreibt den Menschen, die euch wichtig sind - auch wenn ihr lange nichts voneinander gehört habt. Man bereut es sonst irgendwann...immerhin haben wir nur dieses eine Leben.




Was hält wohl 2022 für uns bereit? Für den ein oder anderen sicherlich große, persönliche Veränderungen. Für mich in erster Linie hoffentlich Gesundheit, Geduld und Selbstvertrauen. Im Sommer heißt es erst einmal Abschied nehmen von meinen Sechstklässlern. 
Der Gedanke daran, meine SchülerInnen nicht mehr täglich zu sehen, mit ihnen zu lachen, macht mich sehr traurig. Mittlerweile kenne ich die meisten von Ihnen 4 1/2 Jahre und da entsteht schon ein besonderes "Band", von dem man sich nur ungern löst. Ich habe gesehen, wie aus kleinen Kindern langsam "junge Erwachsene" oder auch einfach nur pubertierende Jugendliche (:D) werden. Aber auch das gehört nun mal zum Lehrerdasein dazu. Loslassen. Ein Teil des Berufes, der mir sicherlich nicht so gut liegt. Ich hoffe sehr, dass sie in vielen Jahren noch gern und mit einem Lächeln im Gesicht an unsere gemeinsame Zeit zurückdenken werden. 
Im neuen Schuljahr erwartet mich dann höchstwahrscheinlich eine neue Herausforderung: eine 1. Klasse. Ich freue mich schon darauf, auch wenn ich mich noch mehr in Geduld üben muss. Die Umstellung wird mir hoffentlich nicht so schwer fallen - aber wir werden sehen.

Ich fühle mich zwar schon wie ein Papagei, aber auch für 2022 wünsche ich mir, wieder mehr reisen zu können. Ich vermisse Bath. Ich möchte, wie viele andere wahrscheinlich auch, dass dieses Virus endlich nicht mehr die Nachrichten dominiert und wir zu einer normaleren Realität zurückkehren können.

19:20 Uhr. Danke, dass ihr euch meine diesjährige Zusammenfassung durchgelesen habt. Ich wünsche euch einen guten Rutsch und nur das Beste für das Jahr 2022.